BGH-Urteil: Wenn die Grenze zwischen Wohnraumvermietung und Gewerberaumvermietung verschwimmt

Viele Köche verderben den Brei und viele Beteiligte an einem Vertragskonstrukt verkomplizieren die Situation. Umso wichtiger ist es, dass dann die Verträge eindeutig sind. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies nicht immer der Fall ist. Die Folge: Auch die verschiedenen Gerichte sind sich nicht einig.  

Man nehme eine Vermieterin, einen Zwangsverwalter, eine Mieterin, die auch vermietet, und deren Mieterin – und das Chaos ist perfekt. In dem vorliegenden Gerichtsfall geht es um ein vielschichtiges Mietverhältnis, an dem vier Parteien beteiligt sind.  

Begonnen hat alles damit, dass eine Vermieterin acht Wohnungen ihres Berliner Anwesens an eine GmbH vermietet hat. Knapp zwei Jahre später wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ein Zwangsverwalter bestellt. Dieser vertritt seitdem die Vermieterin.  

Kurz nach seiner Bestellung hat der Zwangsverwalter ohne Angabe von Gründen den Mietvertrag mit der GmbH gekündigt. Die GmbH jedoch hat nach Kündigungseingang, aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, drei der Wohnungen an eine neue Mieterin weitervermietet. Und dieser hat der Zwangsverwalter ein paar Jahre später, 2016, wegen Zahlungsverzug gekündigt.  

Weil die Mieterin aber nicht aus den Wohnungen ausgezogen ist, hat der Zwangsverwalter sie verklagt. Er fordert, dass die Wohnungen geräumt, herausgegeben und offene Zahlungen verzinst beglichen werden. Das Amts- und das Berufungsgericht haben die Klage allerdings abgewiesen. Bereits die Kündigung des Hauptmietverhältnis mit der GmbH sei unwirksam gewesen. Damit hätte der Zwangsverwalter auch nicht das zwischen der GmbH und der Mieterin geschlossene Mietverhältnis kündigen können. Unwirksam sei die Kündigung, weil keine Kündigungsgründe genannt wurden, der Mietvertrag jedoch unter anderem den Titel „Mietvertrag über Wohnraum“ getragen hat und somit die “Schutzvorschriften des Wohnraummietrechts” greifen, die eine Nennung von Gründen fordern. 

Der Zwangsverwalter versuchte es weiter und ging in Revision – mit Erfolg! Der BGH hat nun entschieden, dass das Hauptmietverhältnis aus verschiedenen Gründen ein Gewerberaummietverhältnis sei. Das gehe beispielsweise daraus hervor, dass die GmbH eine juristische Person sei und diese keinen Wohnraum mieten könne. Außerdem verdeutliche die Anmietung von insgesamt acht Wohnungen, dass diese nicht der Eigennutzung, sondern der gewerblichen Drittüberlassung dienen solle. Da die angemieteten Räume zu Wohnzwecken weitervermietet wurden, erschließe sich auch der Grund, warum der Mietvertrag als „Mietvertrag über Wohnraum“ betitelt wurde. „Geht der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar“, heißt es in der Entscheidungsbegründung. Und weiter: „Steht demgegenüber die Vermietung zu Zwecken im Vordergrund, die keinen Wohnraumcharakter haben, ist allgemeines Mietrecht maßgebend.“ Die erhobenen Ansprüche des Klägers dürften somit nicht verneint werden. Das Fazit: „Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.“ 

Hier geht’s zum vollständigen Urteil (BGH 13.01.2021 – VIII ZR 58/20)

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